Gemütlich haben wir das ausgiebige Frühstücksbuffet genossen und anschließend unsere Getränkemischungen in die Trinkflaschen gefüllt. Es war Zeit für eine Herausforderung, aber war ich auch parat? Als wir vor dem Hotel die Räder aus dem Auto gezummelt haben, schlug mein Herz bereits mit nervösen 130 Schlägen pro Minute. Mein Magen war flau, ich hatte Respekt.
Die Königin der Passstraßen
Diesen Sommer wurden die Reisepläne aller auf den Kopf gestellt. Fernreisen waren plötzlich unerreichbar. So hatten wir unsere freie Zeit ins Auge gefasst, aber das Ziel einfach erst einmal offengelassen. Nachdem ich im Februar die hoffentlich letzte Operation am Sprunggelenk hinter mich gebracht hatte, war ich verhalten in die Rennradsaison gestartet. Einmal mehr kam ich aus einer Verletzungspause und musste es langsam angehen. Die Freude am Rennradfahren war aber noch immer sehr groß. Mein Ziel, das Stilfserjoch, hatte ich nicht aus den Augen verloren! Wir entschieden uns also für Radferien, ließen jedoch das Ziel bis zwei Tage vor Abfahrt offen. Ein Blick auf den Wetterbericht rückte letztendlich das Highlight meiner Saison direkt in den Vordergrund. Südtirol sollte unser erstes Etappenziel sein.
Den Stelvio wollten wir uns über die Ostrampe vornehmen. Damit standen uns auf unserer Runde knapp 70 km und davon die Passauffahrt mit satten 24 km Aufstieg am Stück bevor. Der höchste italienische Gebirgspass schlägt 1828 Höhenmeter zu Buche und ist landschaftlich ein absoluter Traum. Die Kehren sind absteigend nummeriert und ab Kurve 29 erreicht man die Baumgrenze. Der Wald öffnet sich, die Beine brummen stetig und der Blick auf das vergletscherte Ortlermassiv wird frei. Aber nicht nur die Aussicht auf den Ortler beeindruckt, ab Kehre 24 kann der Blick über den Lenker bis zur Passhöhe schweifen. Damit präsentiert sich die Königin der Passtraßen in voller Größe. Sie ist beeindruckend und angsteinflößend.
Ziele sind zum Erreichen da
Die Fahrt auf der Passstraße hat mir viel Kraft und Motivation abverlangt. Während ich eine Kehre nach der anderen durchstrampelte, habe ich vieles gefühlt: Ich hatte riesige Freude und gleichzeitig Angst es nicht zu schaffen. Ich habe jeden einzelnen Kilometer genossen und dennoch gelitten. Ich hatte mein Ziel fest vor Augen und doch war ich mir nicht immer gewiss, ob ich es auch erreiche. Ich war happy und außerdem sehr nervös. Manchmal war ich mir sicher, dass ich es meistere und an manchen Stellen habe ich den Mut verloren. 48 Kehren bis zur Passtafel bieten ausreichend Zeit den Gefühlszustand ein paar Mal zu wechseln.
Ich könnte euch jetzt noch eine Weile von dieser kaum zu beschreibenden Anstrengung berichten. Wenn Du nicht nur gegen den Pass, sondern auch gegen dich selbst kämpfst. Aber das Gefühl von unbändigem Stolz, weil du tief in dir drin fühlst, dass Du es schaffen wirst, ist so viel besser! Unglaublich wie die Namen, die mit Farbe für die Profis auf die Straße gemalt wurden, auch mich motiviert haben. Kehre um Kehre ging es immer weiter bergauf und die Landschaft, die mich umgab, war schlichtweg traumhaft. Als die Passtafel am Gipfel an mir durchzog, fühlte ich mich einfach großartig. In diesem Moment war eines klar: Ziele sind zum Erreichen da.
Mit Andrej hatte ich einmal mehr einen Edelhelfer an meiner Seite. Ohne ihn wäre das alles gar nicht möglich gewesen. Ohne ihn wäre ich aber auch nie auf die verrückte Idee gekommen!
Hi Diane,
Respekt und tolle Bilder! Ich fahre seit Jahren Rennrad, aber Bergpässe und Höhenmeter sind meine Schwäche. Ich war nur auf dem Mendelpass und dem Fedaia-Pass. Das Stilfserjoch kenne ich vom Autofahren, aber würde mir das nicht mal mit dem Mountainbike zumuten. Vielleicht wenn ich viel und richtig trainieren würde.
Liebe Grüße
Ina