Eigenhändig ausgesetzt

Der Gedanke, dass wir auf die Philippinen reisen wollen, war blitzschnell gedacht. Gleich darauf, da fackel ich meistens nicht lang, buchten wir den Flug nach Manila. Im Mai 2019 sollte es soweit sein und wie gewohnt stellte sich diese gewisse Unruhe im Kopf ein. Ich grase meist in Gedanken das Land ab, auf der Suche nach möglichen Reiserouten, Geheimtipps und Abenteuern. Es ist ein stetiger Prozess, den ich selbst nicht unterbrechen kann. Mein Kopf will Informationen sammeln, zusammenstellen und Wissen anhäufen… ich mag diesen Zustand irgendwie, denn auf diese Art und Weise kann ich, wann immer ich möchte, in Gedanken auf Reisen gehen.

Um das Land der 7000 Inseln besser kennenzulernen, kaufte ich mir einen Reiseführer und fing an zu Stöbern. Die Seiten umblättern und über die verschiedenen Regionen lesen, ist genau das richtige, um sich einen Überblick zu verschaffen. Mich reizt jedoch das, was nicht in so einem Buch steht und ich wurde fündig. Die Dinagat Inseln, eine junge Provinz im Nordosten der Insel Mindanao. Kein Hinweis im Inhaltsverzeichnis, kein Abschnitt im Buch, nicht ein einziges Wort. Das musste es sein: Unser Abenteuer.

Andrej brauchte ich nicht lange überreden, da greift meine eigene Begeisterung, mit der ich von solchen Ideen erzähle, wie ein Lauffeuer auf ihn über. Also überlegten wir uns einen groben Plan und strandeten letztendlich tatsächlich auf der weiterntfernten Insel Unib.

Als das kleine Holzboot auf offener See in Richtung Strand abbog, kribbelten bei uns Beiden die Bäuche. Wir steuerten einen wunderschönen, palmengesäumten Sandstrand an und unsere Füße steckten direkt bei der Ankunft im puderzuckerfeinen, weißen Sand. Tropisches Grün begrüßt uns, kleine Wege waren angelegt und alles war liebevoll hergerichtet. Betrachtet man unsere Bucht einmal genau, ergeben sich folgende „Maße“: 50-60 m war unser Strand tief – also vom Wasser bis zu den unüberwindbaren Felsen hinter uns. Den ersten Strandabschnitt schätzten wir auf 100 m Länge, umgeben von Felsen an den Seiten. Gleich nach dem Felsen, der den Strand teilte, folgte ein weiterer Strandabschnitt von etwa 150 Metern. Dort standen 5 kleine Rastplätze. Sitzgelegenheiten, die zum Picknicken oder verweilen einladen, wenn man als Local mit seiner Familie an den Strand kommt. Zwei der Rastplätze hatten einen ausgebauten Dachboden und wir bezogen eine dieser kleinen Kammern für unseren Aufenthalt. Damit war unser Bewegungsradius eher eingeschränkt, denn für alles Weitere benötigte man ein Boot. Wir waren umgeben von weißem, feinen Sand, Palmen und unzähligen anderen Pflanzen. Dieser Strand war eine wunderschöne Perle. Hier hatten wir uns eigenhändig ausgesetzt.

Wir hatten einen wunderschönes Fleckchen Erde gefunden, was wir allerdings nicht hatten war Strom und eine Dusche. Am Abend wurde für ein paar Stunden der Generator gestartet und sein Brummen mischte sich in das Zierpen der Grillen und das Rauschen des Meeres ein. Als Dusche diente uns ein Brunnen, der mit kaltem Quellwasser gespeist wurde. Unter der Anteilnahme aller Anwesenden auf der Insel, standen wir quasi auf dem Dorfplatz zum Duschen. Einer holt das kalte Wasser erst hoch und hilft es anschließend dem anderen über.

Am ersten Strandabschnitt stand ein kleines Häuschen und dort hielten sich Juliet, die gute Seele der Insel und eine kleine Familie auf. Während Juliet uns versorgte und gegenüber auf einer anderen Insel ein Zuhause hatte, übernahm die kleine Familie die Pflege der Insel und wohnte gleichzeitig hier an diesem Strand. Wir genossen diese kleine Welt ausgiebig und schwärmten jeden Tag. Es war mit Abstand eine der schönsten und abgelegensten Ecken, durch die wir bereits gereist sind. Wir waren wirklich mutterseelen allein und das muss man können! Wir haben unsere Laster für den Aufenthalt abgelegt, denn die Verfügbarkeit war nicht mehr gegeben und so ernährten wir uns sehr gesund. Wenn es auch kein Essen im Überfluss gab, so wurden wir ausnahmlos immer satt und es ging uns sehr gut. Die Verpflegung musste geplant werden, denn alles musste aus San José mit dem Boot geholt werden. Es musste gelagert werden, was ohne Strom bei der Hitze keine leichte Aufgabe war. Gekocht wurde auf dem offenen Feuer und jedes Mal sahen wir ihr „Angst“ an, wir könnten nicht zufrieden sein. Dabei schmeckte es hervorragend und wir leckten uns meistens auch noch die Finger ab, von unserem mangoverschmierten Mund einmal ganz abgesehen.

Unseren kleinen Wirkradius genossen wir ausgiebig, dieser wunderschöne Ort, diese Natur… diese paradisische Idylle. Wenn wir im Dunkeln am Strand vor unserer Hütte saßen, setzte sich manchmal die Familie zu uns. Wohlwissend, dass wir nicht miteinander reden konnten. Dann wurden wieder Hände und Füße zur Kommunikation gebraucht, aber allein das sie unsere Nähe gesucht haben, war bereits Geste genug. Diese kleine Familie, die uns so herzlich hier an ihrem Strand aufgenommen und uns einen Anteil an ihrem Leben ermöglicht hatte… machte uns mit ihrem Leben auch sprachlos.

An dem besagten Brunnen, an dem wir uns zum Duschen einfanden, spielte sich ihr Leben ab. Es war ihr Badezimmer. Ein paar Schritte daneben, war eine kleine Feuerstelle und eine Holzbank zu sehen. Das war ihre Küche. An einer Palme auf der anderen Wegseite, hing in einer Plastiktüte verpackt ein kleines Radio und darunter stand eine alte, zerschlissene Sonnenliege – ihr Wohnzimmer. An dieser Stelle sollte ich noch erwähnen, dass wir über eine Familie mit drei Kindern sprechen. Es gab eine Toilette in der Mitte der Bucht. Ein gemauerter Verschlag und ein bisschen mehr als nur ein Loch im Boden. Wir konnten uns nicht vorstellen, was hier passiert, wenn einmal das Meer zickig ist, die Regenzeit herrscht oder gar ein Taifun über das Land zieht. Man möchte behaupten, dass diese Menschen nichts haben und dann hielten wir mitten in diesem Gedanken inne und machten uns bewusst, dass wir unfassbar weit gereist waren, um genau dieses Nichts kennenzulernen und dort unseren Urlaub zu verbringen. Ohne zu Zögern und ganz liebevoll haben sie uns aufgenommen, ihr Paradies mit uns geteilt und uns damit gelehrt, was wirklich zählt.

Jeder von uns hat sicherlich diese berühmte Bucket List. Bunt gefüllt mit Orten, die uns auf den ersten Blick überzeugt haben oder über die man bereits so tolle Sachen gehört hat. Seid mutig und bleibt mutig und sucht auch einmal die Orte, über nicht gesprochen wird. Ich bin zu 100% davon überzeugt, dass es die Menschen sind, die einen Platz zu etwas ganz Besonderem machen. So oft schon habe ich auf meinen Reisen genau das erfahren dürfen. Ich kam ohne Informationen, ganz unvoreingenommen und ohne Erwatungen und ging glücklich. Ich durfte genau dann, als Reisende Teil eines besonderen Lebens sein.