Auf der Suche nach den Pfeilgiftfröschen

Eine kleine Propellermaschine brachte uns von Panama City in den Westen des Landes. Als sich die Türen des Flugzeugs öffneten, hieß es „Hallo Bocas del Toro“. In der Provinzhauptstadt hielten wir uns gar nicht lange auf und auch der Hauptinsel Colon kehrten wir mittels Boot recht schnell den Rücken. Wir zogen an Isla Solarte vorbei und hielten Kurs auf Isla Bastimentos.

ein schmaler Trampelpfad

Dichtes Grün kam immer näher. Unser Kapitän drosselte das Tempo und wir glitten nah an einen Holzsteg heran. Ratzfatz schwangen wir uns auf den Steg. Wir verabschiedeten das Boot und schulterten unsere Rucksäcke. Plötzlich waren wir allein, drehten uns um und mit dem ersten Blick auf unseren Weg, machte sich sofort das Abenteuerfeeling breit.

Standen wir eben noch vor den Mangroven auf einem Holzsteg über dem Wasser, verschlang uns auf den ersten Metern sofort die Natur. Wir dappelten federleicht den Weg entlang. Immer weiter hinein in das Grün. „Wahnsinn“ und „unfassbar“ waren nur zwei der Gedankenblitze, die uns auf Schritt und Tritt begleitet haben.

Wir folgten dem Pfad. Dieser führte uns vorbei an großen Bäumen, unter Palmen hindurch und an großen Flächen voller Friedenslilien entlang. Wir liefen langsam, genossen jeden Schritt und legten immer und immer wieder den Kopf in den Nacken. Wir drehten uns staunend im Kreis.

donnernde Wellen am Red Frog Beach

Am Wegrand stand ein kleiner Holzwegweiser. Wir folgten diesem und bogen auf einen matschigen Pfad ein. Die Natur wurde schlagartig noch grösser und rückte ein ganzes Stück näher an uns heran. Im Gänsemarsch waren wir nun unterwegs und konnten unser Glück kaum fassen. Am Ende des Weges spuckte uns die Natur an unserem Ziel aus. An einem herrlichen Strand.

Mit den Füßen im Sand ließen wir den ersten Eindruck am Red Frog Beach sacken. Hinter uns türmt sich dickes, surrendes und dschungeliges Grün. Vor uns donnert Welle um Welle des karibischen Meeres auf den Sand.

Das war genau die richtige Kulisse, um anzukommen.

mit den Geräuschen der Natur

Wir waren benebelt. Ein Zirpen, Pfeifen, Schreien, Klicken, Rauschen und Rascheln. Uns umgaben unbeschreibbare Laute und ein ständiges Grollen. Das musste der Wind sein, der über die Insel zieht. Es klang wie ein Sturm. In Wahrheit war es das Meer, das wieder und wieder mit einer unbändigen Kraft auf den Sandstrand rollte.

Wusch – Wusch – Wusch! Mit diesen Lauten schliefen wir ein und standen morgens auch wieder auf. In der Nacht kam der Regen dazu. Da war uns sofort klar, warum die Natur so überdimensioniert war. Monsunartig krachte das Wasser auf das dichte Grün und unser Bungalowdach. Die Nacht ging, der Morgen kam, der Regen blieb. Mit dem Tageslicht verstummte die Natur und nur das Prasseln des Regens umgab uns. Wir lagen im Bett und sahen zu. Es war wahrlich eines der besten Programme.

Barfuß

Die Schuhe ließen wir einfach vor der Bungalowtür stehen. Wir stecken die Füße tief in den regennassen Sand und liefen los. Es zog uns den Strand entlang bis zur nächsten Ecke. Als wir dort ankamen, gingen wir noch zur nächsten Bucht weiter und dann noch weiter.

Es reihte sich ein Strand an den nächsten. Hier in Panama breitete sich unendlich wilde Natur vor uns aus. Manchmal fehlten uns die Worte, um die Dimensionen gerecht zu beschreiben. Wir waren fasziniert und gingen Schritt um Schritt: Staunend und eingelullt von dieser unberührten Natur.

Als der Regen einsetzte interessierte uns das kein bisschen. Bei über 30 Grad und mit den Füßen im Sand, war es, als würden wir am schönsten Ort der Welt lauwarm duschen.

das Erdbeerfröschchen

Es grollte noch der Donner als wir in Richtung Strandende aufbrachen. Wir hatten dort einen kleinen Pfad entdecken. Hinter der Landzunge sollte sich außerdem ein schöner Strand verstecken. Nix wie los! Mit dabei hatten wir eine gehörige Portion Respekt, denn bereits von außen betrachtet hingen die riesigen Bäume über und über mit allem was wächst und grünt.

Wir stiegen über Bäume, Wurzeln und Äste, duckten uns unter großen Blättern und herabhängendem Grün hindurch. Alles war klitschnass. Es tropfte, es roch und schmeckte nach Feuchtigkeit. Während uns links und rechts alles um Längen überwucherte, tauchten wir immer weiter ein.

Mehrmals suchten wir den Weg, kehrten um, stiegen auf und doch wieder hinab. Unsere Beine waren voller Schlamm. Uns lief der Schweiß über den ganzen Körper und mit jedem Zungenlecken über die Lippen schmeckten wir das Salz und die eigene Nervosität. Knorrige, riesige Wurzeln und dickes, robustes Grün, wohin wir auch blickten. Ein Kreuchen und Fleuchen, wohin wir auch hörten. Der Weg nur eine Ahnung.

All das war faszinierend und beängstigend zugleich. Als der Weg nicht mal mehr eine Ahnung war, beschlossen wir umzukehren. Besser wir strapazieren unser Glück beim Überqueren der Landzunge nicht gar so sehr. Gerade als wir uns zum Gehen wendeten, zeigt sich ein kleiner roter Frosch. Ein Erdbeerfrosch!

Noch nie haben wir einen Pfeilgiftfrosch in freier Wildbahn gesehen. Wir standen mitten in den heimischen Gefilden dieses Minis, der gerade so groß wie ein Daumennagel war. Als wir wieder auf den Strand stolperten, waren wir uns sicher, dass definitiv weit mehr als nur der Erdbeerfrosch unseren Ausflug in den Dschungel begleitet hat.

Sonnenbaden im Paradies

Wir hatten den versteckten Strand hinter der Landzunge leider nicht erreicht. Der blaue Himmel lockte uns aber in eine der wunderschönen Buchten zurück, die wir auf unserem langen Spaziergang entdeckt hatten.

Zielstrebig zogen wir am Strand entlang. Noch einmal Bucht um Bucht. Bei Regen war es schon wundervoll – bei Sonnenschein das reinste Paradies. Einsam lag der Sandstreifen vor uns, stetig rollten die kleinen Wellen an den Strand.

Wir flitzten ins Wasser und ließen uns anschließend an diesem bildschönen Ort in den Sand fallen. Für die Augenblicke an diesem Nachmittag, gehörte dieses Paradies uns allein.

mit einem Drybag in der Hand

Von der Insel Bastimentos wollten wir zur Insel Cristobal wechseln. Es regnete in Strömen als wir den Rucksack für die Weiterreise schnürten. Der Himmel war grau, dicke Tropfen prasselten stetig und in rauen Mengen nach unten. Wir hofften auf eine kleine Regenpause, immerhin müssen wir mit Sack und Pack durch den Dschungel zurück zum Steg tigern. Die Pause blieb aus, der Himmel drehte so richtig auf.

Kein Grund zum Trübsal blasen. Munter, mit einem Drybag in der Hand und begleitet von den Rufen der Tiere flitzten wir durch den Dschungel. Andrej umkurvte in Flipflops die Pfützen, ich ging direkt barfuß mittendurch. Das Boot kam windschnittig mit Regenhülle daher. Im Affenzahn, dass es unter dem Bug nur so schepperte, ging es zurück zur Hauptinsel und nach Bocas del Toro (Stadt).

gebündelte Sterne im Wasser

Dort trafen wir uns mit Brian, unserem Gastgeber für die nächsten Tage. Wir hüpften auf sein Boot und nahmen Isla Cristobal ins Visier. Zuhause bei Brian, in der Dolphin Bay, landeten wir mitten im Wildlife. Während das Wasser spiegelglatt in der Bucht lag, hörten wir nichts außer die Natur. Sofort gingen wir gemeinsam auf Streifzug und was wir auf diesem Grundstück innerhalb kürzester Zeit erlebten, war unbezahlbar. Wir probierten Kakao vom Baum und während Andrej überrascht guckte, aß ich Termiten. Sämtliche Pflanzen wurden beschnuppert und völlig unbekannte Früchte bestaunt. Bunte Baumsteigerfrösche in den verschiedensten Farben wurden von uns entdeckt und ein Caiman haben wir gesucht und gefunden. Zu meinem Entsetzen testete Andrej ein Spinnennetz, das sich stabil wie Draht anfühlte und unser Abendessen wurde in einer halben Ananas serviert. So lecker, dass uns noch heute das Wasser im Mund zusammenläuft. Wir saßen schockverliebt in geselliger Runde und himmelten ein Faultier an. All diese besonderen Augenblicke!

Und als wäre das alles nicht schon genug, gingen wir im Dunkeln nach vorn an den Steg. Dort berührten wir das Wasser: fluoreszierendes Plankton! Es glitzert wie gebündelte Sterne und der Anblick ist für uns ein unvergesslicher ferngeprägt-Momente geworden.

panamaische Wurzelkunde

Dort auf der Isla Cristobal überwältigte uns Panama und die Natur in einem kaum zu beschreibenden Ausmaß. Mit unserem Gastgeber Brian gingen wir immer wieder auf Entdeckungstour. Mit ihm durch die Natur zu streifen, war wie in einem buntbebildertem Naturführer zu blättern. Vorbereitung musste aber sein: Während ich in meine kontrollierten Gummistiefel schlüpfte, warf Andrej sicherheitshalber einen Blick in seine hinein. Blitzschnell nahm er Abstand von seinen Schuhen. Brian schüttelte eine dicke Bananenspinne heraus. Glück gehabt.

Mit dem Boot fuhren wir quer durch die Dolphin Bay und natürlich wurden wir stilecht von ein paar Delfinen begleitetet. Wir streiften durch die Natur. Genossen wie sie klang, wie sie roch, wie sie schmeckte. Überall saßen die Pfeilgiftfrösche in allen erdenklichen Farben. Die Bäume waren gigantisch. Die Wurzeln faszinierend anzuschauen.

Während bei uns die Wurzeln der Bäume in die Tiefe wachsen, ist das dort nicht notwendig. Wasser hat es genug vor Ort. Die Wurzeln wachsen deshalb an der Oberfläche in die Breite und bilden so die spektakulärsten Formen. Darüber hinaus dienen sie als wunderbarer Lebensraum. Wir sehen Kreuchendes, Kolibris, rotgefiederte Spechte, Affen und eine mopedreifenbreite Schleifspur. Blattschneiderameisen! All das übersteigt unsere Vorstellungskraft. In all den Momenten sind wir staunende Zuschauer eines Schauspiels, das wir so noch nie gesehen haben.

„lieber den Spatz in der Hand“… ich halte aber Froscheier

Ich hatte ein verdammt gutes Auge für die Natur und mir hatten es ganz besonders die bunten Frösche angetan. Einen Rotaugenlaubfrosch hatte ich aber bisher noch nicht entdeckt und dann: dort da, Brian was ist das? Es sind tatsächlich die Eier des Rotenaugenlaubfrosches. Diese werden an Blätter gehangen und dort baumeln sie so lange wie möglich über dem Wasser. Auf die Weise sind sie vor Fressfeinden geschützt. Als wir diese betrachten, stürzen sie aus Versehen ab. So waren die Eier leider ein gefundenes Fressen, weshalb wir alle einsammelten. Eingeschlagen in ein großes Blatt transportierten wir die Eier zur Aufzucht heim.

Mit Blick in den Himmel wurde schnell klar, dass wir es nicht trockenen Fußes heim schaffen werden. Ich hielt die Froscheier sicher in der Hand und wir schlagen im größten Klatsch daheim auf. Der Regen prasselt nur so auf uns das Grün ein. Es störte uns nicht, denn was das feuchte Nass hier gezaubert hat war unbeschreiblich. In Gesellschaft, Regen guckend und in der Hängematte schaukelnd verbrachten wir den restlichen Tag.

Dieser Ort war eine Perle und ist uns direkt unter die Haut gegangen.

ferngeprägt Stoff

Orte wie das Dolphin Bay Hideaway und insbesondere Gastgeber wie Brian & Amy sind genau der Stoff, aus dem ferngeprägt gemacht ist. Ich atmete den Ort ein, ich ging jeden Schritt bewusst und konnte mich kaum sattsehen. Gemeinsam genossen wir die Gesellschaft die wir hatten, die Geschichten die wir teilten, die Drinks die wir uns schmecken ließen.

Ich ging Runde um Runde über dieses wunderschöne Grundstück. Ich nahm jede zusätzliche Dosis Naturliebe in mein Gepäck. Weißer, rosa und roter Ginger, Frangipani, Bienenstock Ingwer, ein Kalabash Baum, die Noni Pflanze, Orchideen und so vieles mehr. Es war und ist unvorstellbar, was die beiden sich dort aufgebaut haben. Mit wie viel Liebe diesen Ort gestaltet wurde und wie viele Details der Natur dort zu finden sind.

Am Abreisetag wurde mir das Herz schwer. Da war es wieder, dieses Bauchgefühl, wenn mir ein Ort unter die Haut oder wahlweise direkt ins Herz geht. Ein letztes Mal ließ ich meinen Blick über diese wunderschöne Bucht schweifen. All das Erlebte, all das Gesehene hatte ich bereits auf ewig konserviert. Als Brian zur Umarmung ansetzte und mir sagte, dass das kein Lebewohl ist, hatte sich das mit dem „nicht weinen“ erledigt. Ich stieg aufs Boot, lehnte mich an Andrej und sah so lange zurück wie ich nur konnte.

Ein Kommentar bei „Auf der Suche nach den Pfeilgiftfröschen“

  1. […] dalatina clindamicina[…]

    dalatina clindamicina

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